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Podiumsdiskussion "Alles Krise?"


Alles Krise? – arbeit plus Expert*innengespräch mit Bundesminister Kocher  

zu aktuellen Herausforderungen und Lösungspotentialen Sozialer Unternehmen – mit BM Martin Kocher | Bundesministerium für Arbeit, Trude Hausegger | Prospect, Manuela Vollmann | arbeit plus, Matthias Neitsch | RepaNet, Moderation: Benedicte Hämmerle | arbeit plus Vorarlberg

Aktuell sind 261.917 Menschen erwerbsarbeitslos, davon 100.500 langzeitbeschäftigungslos, also länger als ein Jahr ohne Arbeit. Das bedeutet, dass zwar die Zahl der Arbeitslosen insgesamt unter dem vor COVID Niveau ist, die Zahl der Menschen die lange ohne Job sind jedoch noch nicht.  Ihr Anteil an allen Arbeitslosen steigt zudem stetig und hat sich seit 2008 sogar verdreifacht.

Der Weg zurück in die Arbeit ist nach einem längeren Ausfall oft schwierig. Der Arbeitsmarkt bietet wenig Möglichkeiten im Übergang zu einem Vollzeitjob an. Gesundheitliche Einschränkungen, Alter oder auch fehlende Rahmenbedingungen wie Kinderbetreuung werden oft zur dauerhaften Barriere. Das bestätigt die Datenlage ebenso wie die langjährige Erfahrung von über 200 Sozialen Unternehmen im Netzwerk von arbeit plus, deren Ziel es ist Menschen die lange ohne Job waren, beim beruflichen (Wieder)einstieg zu unterstützen. Um diesen Trends zukünftig entgegenzuwirken sind neue Lösungen in der Arbeitsmarktpolitik und für Soziale Unternehmen notwendig.

Drehtüreffekt zwischen den Institutionen

„Für einen inklusiven Arbeitsmarkt braucht es ein zielgruppenorientiertes Vorgehen, damit Menschen nach schwierigen Phasen aufgefangen werden. Individualisierte Programme sind zwar teurer als alles was schnell geht, langfristig aber unabdingbar. Außerdem müssen die einzelnen Institutionen besser zusammenarbeiten, daran führt kein Weg vorbei. Zusätzlich würde ich Lösungen zwischen Voll- und Teilerwerbsfähigkeit und Stufenmodelle zur Arbeitsintegration unterstützen,“ so Trude Hausegger, Geschäftsführerin von Prospect.

Fokus auf Kreislaufwirtschaft

„Soziale Unternehmen haben schon immer einen sozialen und ökologischen Anspruch erfüllt. Damit hat sich ein hoher Grad an Professionalität in Österreich entwickelt. Die Sozialen Unternehmen sind in Reuse und Reparatur europaweit Vorreiter. Wir brauchen jetzt stabile Partnerschaften und ein drittes Standbein außerhalb der Förderlogik des AMS und dem Anteil der Eigenerwirtschaftung, damit verlässliche Kooperationen eingegangen werden können,“ fügt Matthias Neitsch, Gründer und Geschäftsführer des Vereins RepaNet hinzu.

Lebensphasenorientiert Arbeiten und Lernen

„Wir stehen vor enormen Herausforderungen und einem Strukturwandel, der auch Chancen in neuen Branchen und Bereichen bringt. Hier muss die Arbeitsmarktpolitik reagieren: geförderte Programme die innovative Beschäftigung und Qualifizierung verbinden im Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich und im Gesundheits- und Pflegebereich sind zukünftig gefragt.  Das hilft der Wirtschaft und den Menschen“, sagt Manuela Vollmann, Vorstandsvorsitzende von arbeit plus Österreich.

„Außerdem braucht es flexiblere Modelle, die die auf die Lebensphasen der Menschen eingehen. Flächendeckende Kinderbetreuung ist für die Vereinbarkeit von Elternschaft und Arbeit ein wesentlicher Baustein. Angebote wie der Papamonat haben bislang nur kosmetische Auswirkungen. Was in Österreich funktioniert, um nachhaltig Gleichstellung am Arbeitsmarkt zu erreichen, müsste noch besser beforscht werden,“ ergänzt Lukas Lehner von der Universität Oxford.

Zusammenarbeit, individuelle Programme und soziale Vergabe

„Das große Ziel ist es, die Langzeit-Beschäftigungslosigkeit zu senken. Es gibt eine Gruppe von Menschen, die am ersten Arbeitsmarkt derzeit keine Chance haben. Wir sehen klar, dass viele Menschen gesundheitliche, psychische oder sonstige Einschränkungen zu haben und auch in einem Jahr nicht voll arbeiten können. Für diese gilt es, ein Ökosystem aus Kombilöhnen, passenden Maßnahmen und sonstigen Unterstützungen gemeinsam mit anderen zu schaffen. Als Arbeitsminister möchte ich lieber, dass Menschen zehn Stunden als gar nicht arbeiten,“ sagt Martin Kocher, Bundesminster für Arbeit.

Soziale Unternehmen sind auf die Zielgruppe dieser Menschen spezialisiert. Um diese Programme zu finanzieren, braucht es ausreichend Mittel. Ein wesentlicher Hebel ist hier die soziale Vergabe, dh. wenn in öffentlichen Ausschreibungen die sozialen Kriterien von Unternehmen beachtet bzw. direkt an Soziale Unternehmen vergeben wird.

„Aktive Arbeitsmarktpolitik zahlt sich aus – das ist sozial, aber auch ökonomisch klug“, damit schließt Sabine Rehbichler, Geschäftsführerin von arbeit plus Österreich, den Nachmittag ab und fasst vier Punkte für die Zukunft eines Arbeitsmarktes für alle zusammen:

  1. Arbeitsmarktpolitik kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie noch stärker mit anderen Ressorts und Institutionen an Lösungen arbeitet: mit Bildung, mit Blick auf soziale und ökologische Ziele, wie flächendeckender und hochwertiger Kinderbetreuung, wie professioneller Pflege, wie Kreislaufwirtschaft. Das ist innovativ, kann gesellschaftliche Bedürfnisse decken und wirtschaftliche Entwicklung fördern.
  2. Soziale Unternehmen sind weltweit, aber auch in Österreich seit vielen Jahren Vorreiter*innen und können immense Erfahrung in die Gestaltung von Arbeitsmarktpolitik einbringen- Sie sind in einem breiten Spektrum von Sektoren tätig – von regionaler Entwicklung bis Klimaschutz, von Pflege bis zu sozialem Wohnungsbau – und vor allem sie wissen was es braucht um arbeitsmarktferne Gruppen zu reintegrieren.
  3. Es braucht individuelle, flexible und durchlässige Programme für Langzeitbeschäftigungslose Menschen, für die der erste Arbeitsmarkt mit seinen Anforderungen aktuell nichts zu bieten hat.
  4. Um ihr Potenzial voll ausschöpfen zu können benötigen Soziale Unternehmen selbst bessere Rahmenbedingungen, die ihnen ermöglicht ihr Potenzial voll auszuspielen. Stichwort, längere Verträge, flexiblere Modelle.

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